Benders – Niederländischer Schriftsteller, Dichter & Philosoph

Die deutschen literarischen Werke

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Darunter setzt man doch keinen so flirrenden Titel

Posted on März 30, 2025März 30, 2025 by admin

Dieser Artikel basiert auf diesem niederländischen Artikel von Martinus Benders.

https://martijnbenders.substack.com/p/daar-zet-je-toch-niet-zon-broeierige

Man könnte natürlich behaupten, dass es durchaus etwas Charmantes hat, solche früh dementen Kinderlieder zu machen, die die Grenze zwischen kindlich und kindisch nicht zu überbrücken wissen. Aber nun kommt mein wesentlicher Einwand: Daneben stellt man sich doch nicht mit einem solchen gespannten ernsten Gesicht? Ein spannender, ernster Junge mit einem fast eulenhaften Blick, das lässt sich doch nicht mit diesen infantilen Tralala-Gedichten in Einklang bringen, meine Herren?

Und dann haben wir Hans Lodeizen. Das finde ich wirklich einen typisch niederländischen Dichter. Würde mich jemand fragen, wer der niederländischste Dichter sei, würde ich Lodeizen wählen. Schon allein dieser Titel: Het Innerlijk Behang.

**

Erzählungen und Unglücksfälle gingen immer Hand in Hand
in diesem Land; der König
ging in seinem hermelinbesetzten Mantel ins Bett
umringt von Hofdienern
und schlief schlecht wegen des anhaltenden
Surrens von Stimmen um ihn herum;
zwei Kammerherren, die um seine Hose kämpften
oder ein Page, der Witze über seine Strümpfe machte;
es war ein Land mit seltsamem Volk,

und doch: hier lebte er und war glücklich, unter
dem Gesindel war er zu Hause, wie unter der Elite;
er kannte keinen Frieden,
groß genug, um die unermesslichen
Ufer seines Gefühls zu füllen, kein Ruf
war schnell genug, um die Winde einzuholen
— es war ein vergebliches Unterfangen
zu klagen, und er klagte nicht.

Hans Lodeizen (1924-1950)
aus Het innerlijk behang (1950)

**

Das hat Hans gut erkannt, klagen, das tun sie nicht, das Volk an der Nordsee. Denn dann müsste man zugeben, dass etwas nicht stimmt, dass die Welt nicht ordentlich wie eine Buchhaltung ist, und darauf ist man hier gerade so versessen: Es passt alles. Die Poesie passt, die Dichter passen, die Preise werden an Dichter verliehen, die perfekt mit dem Bild eines Dichters übereinstimmen, das einst von einem Komitee zusammengestellt wurde, sorgfältig gestutzt und gewässert wie ein Bonsai-Bäumchen, das nie aus dem Topf springen darf.

Klagen würde bedeuten, dass man etwas verlangt, das außerhalb des Formats des Förderantrags liegt. Es könnte implizieren, dass man eine Idee hat, oder schlimmer noch: eine Vision. Und das ist gefährlich, denn eine Vision lässt sich schwer formal festhalten. Poesie in den Niederlanden ist kein innerliches Tapezieren mehr, sondern eine brandhemmende Wanddekoration — sicher, zertifiziert und vor allem: nicht entflammbar.

Wer heute klagt, dem wird der Mund mit Lob gestopft. Man erhält eine Einladung zu einem Festival in Zeeland, einen Platz auf einem Podium über ‚Poesie und die Stadt‘, oder man wird zum Stadtdichter einer Gemeinde ernannt, die niemand ohne Spickzettel auf der Karte zeigen kann. Man wird mit Wertschätzung dekoriert, in die dicke Schicht Papier des literarischen Konsenses eingeschlagen.

Der echte Dichter — das heißt, der Störenfried, der wirre Kopf, der Unbrauchbare — lebt nicht in diesem Land. Er ist hier vielleicht geboren, aber er wohnt woanders. In einer Sprache ohne Gütesiegel. Er klagt wohl, aber niemand nennt das Klagen: Man nennt es ‚unverstanden‘. Und so bleibt es ruhig im Königreich.

Was Lodeizen hier sagen will, ist, dass so viel schiefgeht in diesem Land, dass es vergeblich ist, darüber etwas zu sagen, und darum hält er den Mund. Das ist wahrscheinlich eine intelligente Lebenshaltung, wenn man hier ein recht angenehmes Leben führen möchte.

**

Gut, weiter zu den moderneren Gehversuchen. Amina Belôrf • Reculer pour mieux sauter, so lesen wir auf Neerlandistiek.nl

**

Ein Kolibri durchbricht das Schweigen
schwebt mit einem gefalteten Zettel
in der Brust über dem Kissen

die Blumen bemalen das Zimmer
am blauen Fenster gleichmäßig gestapelte
Münzen eingewickelt in Frischhaltefolie
die Verkleinerung der aussichtslosen Braem-
Wohntürme, Stapelschmerz dieser Zeit

**

Erkennbar, dieser Stapelschmerz. Ich erlebe diesen ehrlich gesagt fast körperlich, wenn ich dieses Werk lese. Diese Verkleinerung der aussichtslosen Braem-Wohntürme!!!

**

die Tapete reißt langsam die Besatzung
sucht Schutz in diesem Überfahrtboot

**

Suche Schutz im Überfahrtboot, denke ich, während der Kolibri mit dem gefalteten Zettel in der Brust über dem Kissen schwebt. Das Überfahrtboot!!!

**

ohne Ziel schaut niemand hin
wer wird gleich die Namen verlesen?

**

Verdammt! Wer wird gleich die Namen verlesen im Überfahrtboot mit dem GEFALTETEN Zettel???

**

Dann folgt die genialste Zeile aus diesem besten Gedicht:

**

Ich denke mir eine Welt aus Beeren Brombeere

**

Hier wurde die Erkennbarkeit für mich ein regelrechter Schlag. Ich trinke nämlich hin und wieder Beerensaft, und auch mal Brombeersaft. Ja. Hier sprechen wir von reiner kontemplativer Ekstase. Hier wird Denken zu Beeren schaffen. Hier muss sich die Grammatik nicht mehr an Logik halten, solange der Saft nur dunkel ist, das Tempo langsam und die Rinde genügend nistet. Es ist Poesie als Wellness: Man kommt nicht weiser heraus, aber man fühlt sich kurzzeitig besonders.

Und derweil liegt dieser gefaltete Zettel immer noch dort, wie ein Tschechowsches Gewehr, das nie abgefeuert wird. Was steht drauf? „Achtung: Diese Poesie enthält möglicherweise Spuren von Bedeutung“? Oder einfach: „Vergiss nicht, die Wäsche zu machen“?

**

opgroeien zonder partituur / is heel vaak opnieuw beginnen

**

Wir enden mit etwas, das der Dichter vermutlich selbst als die Moral ansieht, die Inschrift am Tempel der zeitgenössischen Empfindsamkeit: vage genug, um universell zu sein, generisch genug, um in jede Rede bei einer Poesiepreisverleihung oder bei der Einsetzung eines neuen Stadtdichters in Lokeren wiederverwendet werden zu können.

Der Kolibri, der gefaltete Zettel, das Kissen, die Münzen in Frischhaltefolie — es sind alles Zutaten eines Salats, den niemand bestellt hat, der aber jeden Morgen um 09:00 Uhr warm an die Abonnenten von Laurens Jz Coster serviert wird. Und niemand wagt es, den Koch anzusprechen, denn er hat einen Literaturpreis gewonnen.

Das Beste aus den 44 Gedichten. Wo von Notiz genommen wird.

Martinus Benders – 30-03-2025

Category: Literarisches Tagebuch

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Deutsche Bücher

„Eine Mottenoper auf Deutsch, basierend auf meinem Gedichtband Baah Baaah Krakschaap / Das F der Winterschlaf.“


In diesem Band zeige ich mich von meiner experimentellsten Seite – die Texte bewegen sich zwischen Lautpoesie, absurdem Theater und schlafwandlerischer Symbolik. Die Mottenoper baut darauf auf: ein musikalisch-dichterisches Gewebe aus Flügelschlägen, Traumprotokollen und klanggewordenen Metamorphosen.

Sie ist keine Oper im traditionellen Sinne, sondern ein Zeremoniell des Verpuppens und Entpuppens – das F steht hier nicht nur für „Fabel“ oder „Finsternis“, sondern auch für „Flackern“, „Fantasie“ und „Flucht“.

Gemeinsam mit meinen Kompliz:innen erforsche ich in diesem Werk die Grenzen zwischen Sprache, Klang und Verwandlung – ein Projekt, das sich der linearen Logik entzieht und stattdessen der Logik des Lichts folgt, wie es von Motten geträumt wird.

Ich habe außerdem eine Neue-Welle-/New-Wave-Formation, die Lieder mit deutschen Texten macht: The Stoss. The Stoss besteht aus Martijn Benders, Veronique Hogervorst und Dieter Adam. Unser Debütalbum heißt Höllenhelle Eisenbahn und ist in voller Länge auf Spotify zu hören.

Dieter hat (zusammen mit Martijn Benders) auch ein Soloalbum gemacht, um zu zeigen, dass großartige Poesie und deutsche Musik Hand in Hand gehen können.
Das poetische Glanzstück „Oh Schwulfürst von Schlüpferland“ sorgt derzeit für Furore in der internationalen Musikwelt.

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